Unsere Stimmen
An dieser Stelle möchten wir jeder von uns, die möchte, die Möglichkeit geben, ihre Gedanken und Gefühle zu dem Übergriff zum Ausdruck zu bringen, ihr Raum zu ermöglichen und eine Stimme zu verleihen. Klicke auf die Bilder um sie zu vergrößern.
Ich würde gern die ganze Welt zusammen schreien, um allen einmal zu erklären was los ist.
Einfach allen vermitteln, wie wir Frauen (FLINTA) uns fühlen. Wie viel Scheiße wir unser ganzes Leben lang ertragen müssen, die Männern einfach erspart bleibt und dass das nicht ok ist.
Aber gleichzeitig habe ich das Gefühl, niemanden erreichen zu können und absolut unbedeutend zu sein.
- S
Als ich davon erfahren habe (13. November 2020):
Ich zitterte am ganzen Körper.
Ich hatte tagelang Schlafstörungen.
Ich hatte wochenlang Angst.
Ich war 14 Tage arbeitsunfähig.
Ich musste immer wieder weinen.
Die Kommentare unter meinen Bildern ekelten mich an.
Der vermeintlich vertraute Freund war plötzlich ein Fremder.
Ich war wütend und tief enttäuscht und gleichzeitig war mir klar, dass er dringend professionelle Hilfe benötigt.
Wie geht’s mir heute? (21.Mai 2021)
Es wird Zeit, dass er für seine Tat zur Rechenschaft gezogen wird.
Ich bin wahnsinnig enttäuscht über den Verlauf des Ermittlungsverfahrens.
Ich fühle mich machtlos und allein gelassen.
Ich fühle mich zeitweise wie gelähmt und ohnmächtig.
Mein Vertrauen zu neuen potenziellen Partnern ist nachhaltig gestört.
Ich wünsche mir, dass der Täter sich endlich mit der Thematik und dessen Folgen auseinandersetzt.
- Anonym
Die ersten Wochen nachdem ich meine Bilder auf der Seite gesehen haben waren ein auf und ab, Gefühle zwischen Scham, Es-nicht-glauben-können, verärgert sein und ein ständig begleitender Druck in meinem Brustkorb.
Ich habe ein stabiles Umfeld, welches mich durch die Zeit begleitet. Ich war zu der Zeit froh in Kurzarbeit zu sein, denn meiner Arbeit hätte ich in der Anfangszeit nicht nachgehen können.
Mittlerweile bin ich in therapeutischer Behandlung, meinen Alltag kann ich derzeit bewältigen und über meine Atmung und das Druckgefühl habe ich die Kontrolle zurück.
- Anonym
Ich bin einer der wenigen Männer, die mit auf den Bildern zu sehen sind. Auf dem Bild ist eine Freundin und ich, ein Schnappschuss auf einer Privatparty.
Von dieser Freundin habe ich erfahren, dass ein Foto von uns beiden auf einer P0rnoplattform gelandet ist und mich hat es wie ein Blitz durchzuckt vor Schreck und vor dem Gefühl, ohne Kontrolle ausgeliefert zu sein. Aber bereits kurze Momente später war es für schon fast absurd komisch, so wie halt das nächste seltsame Ding, was mir nun im Leben passiert ist. Ich konnte das relativ easy abschütteln.
Währenddessen telefoniere ich noch mit der Freundin, die sich den Kopf zerbricht, warum sie jemand als 'german slut' wahrnimmt, was sie falsch gemacht hat, warum sie sowas ausstrahlt. Ihr ging es sichtbar schlecht.
Für mich war das der zum Himmel schreiende lebendige Beweis, wie stark und tief die strukturelle Ungleichheiten und Diskriminierungen in einer patriarchalen Gesellschaft wirken und direkt in uns eingeschrieben sind. Obwohl mir und der Freundin e x a k t das gleiche widerfahren ist.
Nicht nur, dass generell zum allergrößten Teil Frauen und FLINTA* Personen die Betroffenen sind von jeglicher sexualisierter Gewalt - und nichts anderes ist es, was der Täter gemacht hat -, selbst wenn ein Mann ausnahmsweise davon betroffen ist, hat es bei weitem nicht die gleichen, möglicherweise traumatisierenden psychischen Auswirkungen. Das ist privilegiert.
Selbst noch als Betroffene sind Männer privilegiert. Das ist so Scheiß. Jede und jeder hat dieses Privileg verdient.
- X
Als ich die SMS einer Bekannten erhielt nahm ich kurz an es gäbe eine Verwechslung. Soziale Netzwerke auf ‘Privat’, sporadisches ‘Ausmisten’....Ich dachte: welche meiner Fotos wären denn bitte P0rnoseiten-tauglich?!
Einen Katalog an Screenshots und eine Whatsapp-Gruppe später wurde ich eines Besseren belehrt. Mein nettes Lächeln vom Facebookprofil direkt neben dem Werbebanner mit gespreizten Beinen auf der Plattform xHamster - einer Website, die kostenfrei p0rnografische Amateurvideos, Webcam-Models und p0rnografische Fotografie zeigt.
In der WhatsApp-Gruppe zeigte sich schnell, dass nicht nur wahllos Profilbilder in Ordnern à la ‘Hot Girl Sluts from my Hometown’ zusammengefasst wurden. Dass ich nur ‘Füllmaterial’ war. Betroffene, welche sich in der gegründeten Gruppe gefunden hatten, haben mit diesem User ihre Lebenszeit geteilt, Partys gefeiert, Urlaube verbracht, Sonntage morgens im Bett die Zeit totgeschlagen. Und diese intimen Bilder waren sichtbar - mit Namen und Wohnort - in einem völlig entrückten Kontext ohne ihr Wissen!
Ich hab Anzeige erstattet. Ich hab mich echauffiert und ich war wütend. Vor allem wegen all der Verletzungen meiner Privatsphäre und der der Betroffenen. Das fühlt sich für mich nach wie vor wie das schlimmste Vergehen an einer guten Zeit an, die man mit dieser Person hatte. Untermalt von widerlichen Kommentaren auf einer widerlichen Website.
Wir haben schnell festgestellt welcher Mensch uns alle (virtuell oder real) verbindet. Ein nice guy, ein Mensch, der sozial vernetzt ist, ein Mensch, der sich unter anderem auch in Club-Strukturen bewegt. Ein Mensch, dem wir so etwas niemals zugetraut hätten.
Die Kommunikation und vor allem die Einfühlsamkeit der betroffenen Frauen in unserer Gruppe macht mir Mut mein dringlichstes Anliegen dazu zu äußen:
Bitte, bitte seid laut und lasst uns öffentlich machen, was uns widerfahren ist! Egal ob DJ, Hausarzt oder Nachbar - in der Anonymität des Internets sind alle Katzen grau! Lasst uns zeigen, dass Betroffene nicht allein sind. Und lasst uns verhindern, dass noch mehr Frauen und Mädchen unsere Sorgen tragen müssen. Lasst uns verhindern, dass unsere Kinder jemals in unsere Situation kommen müssen!
- A
Als ich den Anruf erhielt, mit der Information, was geschehen ist, empfand ich das ganze anfangs als 'gar nicht so dramatisch'. Mein erster Gedanke war tatsächlich: 'na, dann ist es jetzt also doch mal passiert'.
Wie bitter ist das eigentlich? Dass Mensch sich so etwas denkt? Dass es nicht darum geht, OB sondern WANN sich jemensch an Deiner Würde vergreift und gegen Deinen Willen bzw. ohne Einwilligung handelt?
Mit mir hat es im Nachhinein viel angerichtet. Ich wusste, es werden keine "schlimmen" Fotos sein. Aber darum geht es den TäterInnen oftmals gar nicht. Es ist Voyeurismus, Machtgefühl, über andere bestimmen.
- M
Ich entdecke die User- und Profilerstellerkommentare unter meinem Bild und denen meiner Bekannten, erst jetzt weiß ich, in welchem Maß Ekel empfindbar sein kann. Ich denke schlimmer und diskriminierender geht’s nicht und plötzlich werden auch noch Ordner mit Fotos von offensichtlich Minderjährigen hochgeladen unter denen genauso oder noch widerwärtigere Kommentare verfasst werden. Das ekelerregende Elend scheint kein Ende zu nehmen und umso intensiver ich mich mit dem Thema auseinandersetze, desto tiefer versinke ich in den perversen und übergriffigen Sumpfwelten der P0rnoseitenuniversen und ‚tausender‘ Vorfälle dieser Art. Je mehr Fälle ich kennen lerne, je öfter ich darüber lese, was alles im gesetzlichen Rahmen nahezu konsequenzlos möglich ist und je mehr ich dazu erfahre, wie einfach es ist auf den betreffenden Webseiten intime und vertrauliche Daten zu verbreiten, desto ohnmächtiger fühle ich mich. Es macht mich traurig und wütend, dass es in einer fortschrittlichen, westlichen Welt des 21. Jahrhunderts nicht oder nur schwer möglich ist gegen diese Taten und Täter vorzugehen und, dass wenn du nicht selbst dagegen vorgehst, sich anscheinend weder Staat noch Plattformen in der Verantwortung fühlen.”
- AnMa
Schnelle Gedanken:
Zeitlang stück weit verdrängt, beim drüber reden zittern, weinen,
holt immer wieder ein. Wissen, dass er ein Päckchen mit sich rum trägt und eigentlich Hilfe braucht
Wunsch: dass er sich ernsthaft mit der Thematik und den Folgen auseinander setzt
Als ich davon erfahren habe, (Es war übrigens Freitag, der 13. November). Ich zitterte am ganzen Körper. Ich hatte tagelang Schlafstörungen
macht mich wahnsinnig, keine Konsequenzen, Enttäuschend die Ermittlung
- Anonym
Ich kenne den mutmaßlichen Täter seit ich ein Kind bin. Er ist etwa zehn Jahre älter als ich. Er hat mit mir im Hof Tischtennis gespielt. Später, als Teenagerin, war ich auf Partys feiern, die er organisiert oder wo er aufgelegt hat. Noch ein paar Jahre später waren wir Arbeitskolleg*innen in einer Veranstaltungslocation. Dort wurde mir erst allmählich klar, dass sein Verhalten absolut unangebracht und übergriffig war: er tauchte plötzlich hinter mir auf und hauchte in meinen Nacken, raunte mir zu “als ich vorhin auf der Empore entlang lief, konnte ich Dir voll gut in deinen Ausschnitt gucken” und begrapschte meinen Po. Von anderen, auch gemeinsamen Freunden, erhielt ich keine Unterstützung, er war ja schließlich der “nette Typ” der mit allen cool war. Seitdem er nicht mehr mein Kollege war, hatte ich nichts mehr mit ihm zu tun und wenn ich ihn auf einer Party sah, beließ ich es bei einem Kopfnicken.
Natürlich war ich schockiert, als ich davon erfuhr, dass es Bilder von mir bei xHamster gab. Dass dieser Typ wahrscheinlich der Täter ist, hat mich nicht überrascht. Ich bin wütend, habe Lust ihn anzuschreien, anzuspucken, meine Faust in seinem Gesicht zu versenken, aber letztlich ist er das nicht wert.
Ich möchte meine Kraft lieber verwenden, um “das Problem” in den Diskurs der Gesellschaft zu tragen. Dadurch wird es nicht verschwinden, aber übergriffiges Verhalten im Netz bedarf (rechtlicher) Konsequenzen, um Betroffene nicht noch mehr zu entmächtigen, sondern ihnen zu helfen, das Erlebte zu bewältigen.
- Anonym